September 2010

Mittwoch, 29. September 2010

Diskussion der Texte am 26.9.2010

Den Beginn der Lesung gestaltete Stephan Schwarz mit fünf unbetitelten, jedoch nummerierten Gedichten, deren Hermetik und Kryptik eine Herausforderung für die rein akustische Annäherung waren. (Ein Problem von Lyriklesungen generell, weshalb wir darum
bitten, Gedichte zukünftig als Kopien unter den ZuhörerInnen zu verteilen.)
Ein sich durchziehendes Thema der Gedichte schien sich jedoch abzuzeichnen: Beim Dichten mit der Versuchung umgehen zu müssen, der Romantik zu verfallen. Dies nicht zu tun, ihr zu widerstehen, nach anderen Formen zu suchen, darum drehten sich die Gedichte mehr oder weniger direkt oder auf einer sich zu erschließenden Metaebene.

Die Gedichte wurden unterschiedlich aufgenommen, manche störten sich an großen Worten („Genius“), andere fanden dies wiederum mutig, einige beklagten die Unzugänglichkeit der Texte, andere lobten ihr Geheimnis. Es kam die Frage auf, ob Lyrik nicht auch kryptisch sein
müsse, da sie sonst zu platt daherkomme und keine Lyrik mehr sei.

Jenny Schon las zwei Gedichte, (hier im Blog nachzulesen), die, wie ein Gast bemerkte, am anderen Ende der Skala von Lyrik stünden, eher zur Gedankenlyrik zu zählen seien. Schon erklärte, dies seien Prosagedichte.
Nicht kryptisch, sondern klar spielt sie mit ihrem Gedicht „Steine virtuell“ auf konkrete historische Bezüge an (Zerstörung der Buddhastatuen in Afghanistan 2001), die sie nach der Lesung erläuterte.
Auch hier fiel die Diskussion kontrovers aus: Ein Gedicht müsse für sich selbst
sprechen und nicht anschließend von seiner Autorin erklärt werden. Ein Klagelied seien die „Steine virtuell“, sagte ein Gast. Bemerkenswert sei der Schluss des Gedichts, in dem den Gigabytes positive Schöpferkraft zugeschrieben (und eben nicht nur der Raub an Realität, ihr Entzug kritisiert) werde, da man sich dank der virtuellen Wiederhergestelltheit der Gesichter
der Buddhastatuen (in einer Ausstellung im Gropiusbau) wieder ein Bild von ihnen machen könne.

Nach der Pause las Jenny Schon auf Wunsch der Gastgeberinnen
ein zweites Gedicht ("Die alten Männer"), das ebenfalls hier nachzulesen ist. Kritisiert wurde das „Gutmenschentum“ und die „Selbstgerechtigkeit“ des lyrischen Ichs, das sich über den alten Mann stelle. Auch sei die Haltung des lyrischen Ichs „zu passiv“, wenn es nur frage, anstatt zu handeln. Fragen sei doch aber etwas sehr Aktives wandten andere ein. Die Haltung dahinter sei eindeutig moralisch und politisch, so die Autorin, und sie stehe auch voll dahinter.

Den Abschluss der Lesung machte Gunter Fezer mit seinem Gedicht „ÖTZI IM LICHTZWANG“ – Sampling Paul Celan – auch hier nachzulesen. Der Autor selbst stellte die Frage ans Publikum, ob man das dürfe, Paul Celan zu sampeln, und erklärte dann selbst das Verfahren seines Gedichts. Er habe vor lauter Überdruss an den Celan-Imitationversuchen vieler junger
Dichter einmal den Versuch machen wollen, in ein selbstverfasstes Gedicht
Metaphern aus Celans „Lichtzwang“ einzufügen, um zu zeigen, dass all die Bemühtheit um
die noch bessere Metapher angesichts der schon erdichteten im Grunde für die Katz sei.
Aber das sei doch ein durchaus produktives Ansinnen, neue Metaphern zu finden, sei auch der Antrieb lyrischer Produktion, sagten Gegenstimmen. Kritisiert wurde der Schluss der Gedichts, der zu albern sei. Albern sei aber doch das ganze Gedicht, hieß es von anderer Seite.

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