Samstag, 11. Dezember 2010

Jörn Sack: DIE WALDMARIE

Die Waldmarie glitt in ihren Sitz geschnallt über den Aufsetzpunkt der Pollbahn von Halifax, Nova Scotia; denn sie wollte………………………………………………………………………
Wir betraten erwartungsvoll den Büchergarten von Löhne; denn wir wollten…………
Der Verkauf von Ölsardinen in Büchsen verharrt seit drei Jahrzehnten auf niedrigem Niveau.
Wir werden……………………………………………………………………………………………………
Ein Mann nimmt uns mit auf die große Fahrt durch seinen Wahn………………………………
Patient zeigt Schreibverhalten…………………………………………………………………………
Aus der Stimme aller abrufbaren Gedächtnisschaltungen puzzelt sich der Mensch sein “Ich” zusammen…………………………………………………………………………………………………
Ich bin ein Ordnungsfanatiker. Ich bin ein Ordoliberaler. Ich bin ordiniert……………………
Irgendwann gibt man alles ab nach oben………………………………………………………………
……………………………………………………………………und entwickelte es zu einem sinologischen Juwel
……………………………………………………….……………haben Tiere Erwartungen im Blick
…………………………………………………………………………………………………Pechkater.
Die Waldmarie glitt in ihren Sitz geschnallt über den Aufsetzpunkt der Rollbahn von Halifax, Nova Scotia; denn sie wollte zu gern.

Jörn Sack: WIEWENNWANN–WANNWENNWIE–DIEDENDANN–DENNDANNDIE

Wüsste ich nur (wozu?) was ich gefühlt habe, als ich noch nicht wusste (wozu?), dass es mich gibt (wozu?), ich mich – nur spürte, bevor ich mich aufspürte. Wo? Zu? Auf!
Punkt, Fleck, Linie? Schwall? Hinter einer Wand? Vor einem Loch? Einem Loch in der Wand? Einem Loch im Boden? Boden. Der Boden. Ein Bodden. Ein Boden. Mein Boden. Mein Bodden. Treiben über den Hoden. Treiben über den Bütten. Busig. Nebel, und alles war vollkommen. Brodem, Brei, und alles war vollkommen. Wille aus Neben. Wille aus Brei. Busig. Nebel mit Willem aus Brodem. Brei mit Willem. Treiben über dem Brodem. Busig. Die Habe aller Habe. Urhabe. Treiben über dem Boden. Die Habe aller Habe. Urhabe. Busig. Ach Gott, nur Teilhabe, Lottchen. Hinhocken!
Mann! Deine Aufgabe ist Eindringen. Lebenslang eindringen. Lebenslang. Lebenslang. Nichts anderes. Der Stolz auf den Fluch. Der Stolz auf die Drnagsal. Peinlich, das Gedrungenwerden. Das du brauchst. Die Flucht aus dem Urwald.
Angst. Agnus Dei. Anus hominis. Anus mundi.
Nicht einmal Neugier ist geblieben. Die Schnecke zieht es in ihr Haus, bevor sie zertreten wird.

Jenny Schon: Veselý výlet - Ein lustiger Ausflug

Auf den Spuren Fontanes zu wandern, ist, seit dem Ereignis, das sich Wende nennt, eine liebe Lust geworden. Selda, eine Nachbarin, die die gleichen Interessen hat, wie sich herausstellte, schloß sich mir an. Über Fontane und Preußen war eine neue Freundschaft gewachsen.
Wir beschließen, Brandenburg zu besuchen -eine Stadt in einer Entfernung, die unseren bisherigen Horizont überschreitet, weil wir ohne Auto sind. Über die Region Potsdam, wohin man bequem mit der S-Bahn gelangt, sind wir gemeinsam noch nicht hinausgekommen.
In diesen späten Apriltagen ist der Frühling über die Ahnung hinausgetrieben, aber wegen der niedrigen Celsiusgrade noch nicht ganz da, obwohl die Birnbaumsilhouette weißblühend das Blau des Himmels sprengt und die Mandel- und Pfirsichbäumchen in ihrem zerbrechlichen Rosa den Mutterinstinkt in mir wecken. Doch leider benötige ich den Mantel, sie einzuhüllen -und das unterscheidet mich wohl von einer Mutter- selber, um mein Frösteln erträglich zu halten. Die Frühlingsfarben wirken kalt im kaiserblauen Himmel der Mark, die Schatten kontrastieren scharf. Kein Purpurtanz des Frühlings, der mich trunken macht. Kein Erlöschen der Sterne, weil die Blütenkristalle alles andere Glänzen ertränken.
Brandenburg ist eine mittelalterliche Stadt. Für hiesige Verhältnisse alt, backsteinfarben, mit Kopfsteinpflaster. Wir holpern durch die alten Gassen, riechen das Wasser der Havel, die im eigentlichen Sinne kein Fluß ist. Sie ergießt sich aus dem mecklenburgischen Dambecker See, nördlich von Berlin, wie ein gemächlich dahintrödelndes und sich ausuferndes Rinnsal aus einer Wanne; zieht über die Hauptstadt nach Süden. Von Potsdam fließt sie weiter in westlicher Richtung nach Brandenburg, und nach einem nordwärts geschwungenen Bogen vereinigt sie sich bei Havelberg mit der Elbe.

Mein Geburtsfluß Aupa speist auch die Elbe - in Böhmen. Ich spüre den Wind, der von der Schneekoppe in das Aupatal herunterstürzt und ziehe meinen Mantel enger. Die tausendjährige Linde vor dem alten Rathaus Brandenburgs, das damals Brennabor hieß, zittert in ihrem dünnen Kleidchen.
Die Linde - der heilige Baum der Slawen. Hier hat vielleicht Pribislaw, der letzte Hevellerfürst, seiner Liebsten ein Ständchen gebracht. War Pribislaw der Vorfahr meines tschechischen Urgroßvaters? Der eine ist untergegangen mit seinem Stamm in der Germanisierung, der zweite in den Namen der männlichen Deszendenz. Hier vor dem Rathaus umarme ich die Linde. Sag was, Großväterchen! Urgroßväterchen Václav ist verstummt.
Selda und ich haben lange Zeit im Dom zugebracht, der auf Trümmern der Hevellerfeste errichtet wurde. Immer wachsen auf zerstörten Heiligtümern die Symbole der neuen Zeit. Ein Nebeneinander läßt die Geschichte nicht zu!
Wir waren unterkühlt in den feuchten Gemäuern. Waren es mephitische Dünste, die die Wandmalerei beschlugen? Unter der Krypta die Gebeine der slawischen Aufständischen gegen die christlichen Eroberer ihres Brennabor? Spürte ich die Nähe meines Ahnherrn? Was will das lautlose Summen in meinen Adern?
Der Tag neigt sich in den weinroten Abendhimmel. Dieses Rot würde ich verwenden, sollte ich Tränen malen. Es zieht sich in die Furchen am Horizont. Der Zenit verliert sich im tiefen Blau des Universums.
Mir ist kalt. Ich ziehe Selda fort von hier. Habe Angst, ich könnte unseren Zug verpassen. Mir ist so, als läge Brandenburg auf einem anderen Kontinent. Selda erinnert daran, daß wir in der Nähe von Berlin sind und noch eine Stunde Zeit haben.
Ich aber bin unruhig. Der schöne Ort hat plötzlich eine Fratze. Aus dem bröckligen Gemäuer greifen Schlangen nach mir.
Selda bewundert derweil die hübschen Mauerblümchen, die sie an ihre Kindheit auf einem Schloß erinnern, wohin sie nach den Bombenangriffen evakuiert wurden. Ich sehe die eingefallene Mauer am Gehöft meiner Urgroßeltern am Fuße des Riesengebirges. Schweiß tritt auf meine Stirn, obwohl mir eiskalt ist. Ich renne voraus. Meine Freundin kommt gemächlich hinter mir her.
Ich stehe auf den Schienen der Straßenbahn, umgeben von tobenden Autos, deren Reifengeräusche auf den Pflastersteinen meine Ohren malträtieren.
Das ist Folter! schreie ich und stürze in den Waggon einer Straßenbahn.
Selda zerrt mich wieder heraus, weil es die falsche ist.
Meine Knie wabern. Mein Herz rast. Wir verpassen den Zug, Mutti, sage ich wortlos.
Die nächste Straßenbahn ist unsere. Noch eine Viertel Stunde bis zur Abfahrt des Zuges. Selda gackert. Sie hat im Havelstrandrestaurant zwei Gläschen Wein getrunken. Ich setze mich von ihr weg nach vorn. Ihr Hexenkreischen ist mir unerträglich.
Am Bahnhof. Noch fünf Minuten Zeit. Eine Baustelle behindert den Zugang.
Ich finde den Eingang nicht. Kopflos schlage ich mich an die brennende Brust, in der mein Herz wild gegen die Rippen schlägt. Alte Leute brechen sich die Rippen, wenn sie stark husten, hat mein Arzt gesagt, als ich über Schmerzen in der Herzgegend geklagt habe, und er nichts finden konnte. Ich fühle mich steinalt. Der Baustellenzugang zum Bahnsteig wird immer enger, die Bretter versperren die Sicht.
Mutti, komm! rufe ich.
Ich berühre einen fremden Mann, ob er mir den Zug nach Berlin nennen könne.
Er stößt mich zurück. Der stehe dort.
Der Mann ist hinter dir her, Mutti, schreie ich. Das dreijährige Kind stürzt die Treppe hinunter, dann wieder hinauf auf Bahnsteig zwei. Es schlägt gegen das Gepäck der dahinströmenden Menschen.
Seine Knie sind wie Gummibärchen, pappig, der Puls überstürzt sich. Wir schaffen es nicht! Mutti, liebe Mutti...
Die Schaffnerin befiehlt: Einsteigen! Ich reiße ihr die Kelle aus der Hand. Meine Mutter sei noch nicht da. Tränen stürzen auf mein Seidentuch. Der zweite Schaffner rennt die Treppe hinunter.
Eben sei sie noch dagewesen, brülle ich ihm hinterher.
Ich stehe auf dem Trittbrett. Meine Mutter müsse gestürzt sein, sie sei verfolgt worden. Die Schaffnerin schaut mich mitleidig an.
Ihr Kollege kommt außer Atem wieder die Treppe hoch.
Meine Mutter sei nirgends zu sehen. Er müsse jetzt das Abfahrtssignal geben. Wir haben schon zwei Minuten Verspätung.
Er schiebt mich in den Wagen, pfeift und schließt die Tür.
Der Zug setzt sich in Bewegung. Fassungslos presse ich meine Nase an die Fensterscheibe. Die Landschaft zieht vorbei. Zartes märkisches Grün, in den Pfützen auf den Feldern spiegeln sich rosa Wolken.


Erst als jemand die Hand auf meine Schulter legt, wende ich meinen Blick in den Gang. Es ist die Schaffnerin. Sie sieht in mein nasses Gesicht.
Meine Freundin stehe jetzt auf dem Bahnsteig und ich habe die Karten, sage ich zu ihr. Ich hätte doch von meiner Mutter gesprochen, welche Freundin ich denn meine. Die Schaffnerin ist irritiert. Ich gehe in ein Abteil. Ich habe Durst und esse einen Apfel.
Habe ich Mutti gerufen? Warum sollte ich Mutti gerufen haben? Verwirrt und von Schuldgefühlen zerfressen starre ich vor mich hin.
Zu Hause lege ich mich aufs Sofa. Schwere Gedanken stieben durch meinen Erschöpfungsschlaf. Ich bin in einem fremden Land. Ich höre fremde Stimmen, eine Sprache, die ich nicht verstehe. Geschrei. Ein fremder Mann greift nach meiner Mutter. Sie stürzt.
Mutti! stammele ich mit brechender Stimme. Von meinem Röcheln werde ich wach. Ich springe auf. Ich habe das Gefühl, als blute ich inwendig, aber ich spüre auch, daß das Blut meine Wunde wäscht. Woher stammt die Wunde, die heute aufgebrochen ist?
Ich greife das Telefon. Höre Seldas frische Stimme.
Was denn mit mir los gewesen sei. Das war doch gar nicht unser Zug. Wir hatten doch nur Fahrkarten für den Regionalzug, der vom ersten Bahnsteig abfährt. Ich sei in den Fernzug gestiegen. Hat der Schaffner keinen Zuschlag verlangt?
Der Schaffner sei fix und fertig gewesen, antworte ich, weil er meine Mutter gesucht habe.
Mutter? zischt Selda durchs Telefon.
Die frische Luft in Brandenburg sei mir nicht bekommen, das habe zu einem Schock geführt. Selda war mit einem Arzt verheiratet. Wer einen Schock habe, wolle fliehen, könne aber nicht.
Ich war aber auf der Flucht! entgegne ich.
Die Flucht sei ein lustiger Ausflug gewesen oder etwa nicht! Seldas Stimme ist wieder heiter.
Ich antworte ihr mit ungeübter Zunge. Ano, veselý výlet. In diesem Augenblick weiß ich, es ist die fremde Sprache, in der ich als Kind manchmal zu träumen pflegte, die ich jedoch nie gelernt habe und deren Sinn ich nicht verstand. Aber ich weiß, es ist die Sprache von Urgroßväterchen Václav und deshalb ist sie mir nicht mehr fremd.

Robert Schmidt: Pottwal oder Blauwal

Warum gehen sie nicht schwimmen? Alle schwimmen ihre Bahnen vor und zurück, deshalb sind sie hergekommen. Aber diese Männer sitzen am Beckenrand, planschen mit den Beinen im Wasser und reden die ganze Zeit. Ich wünsche, ich könnte hören worüber sie reden. Ich muss beim nächsten Mal neben ihnen den Beckenrand berühren und so ein wenig lauschen. “Es ist eine Unverschämtheit, dass mein Vorschlag abgelehnt worden ist.” sagte derjenige mit dem Bart. Der mit der Glatze neben ihm nickte verständnisvoll. Als ich mich abstieß und tauchte fragte ich mich, was da wohl abgelehnt worden sei. Beim Auftauchen stieß ich gegen eine Frau mit kurzen Haaren. Ich hatte sie nicht gesehen. Sie schwamm wie ein Delphin. Schnell und kraftvoll. Die beiden Männer am Beckenrand würden nicht auf die gleiche Art schwimmen, dachte ich. Eher wie Wale. Doch welche Wale, Pottwale oder Blauwale? Pottwale sind Jäger in den Tiefen der Meere. Blauwale jedoch schwimmen gemütlich an der Oberfläche und sammeln Krill mit offenem Maul.
Ein schmächtiger Asiate kommt mir entgegen und taucht ab - ein Pottwal, ganz eindeutig. Hinter ihm eine Dame mit bestickter Taucherhaube. Bedächtig schwimmt sie mit unbewegtem Kopf im Becken. Ein klarer Fall: Blauwal.
Mit mir schwimmen also nur drei Spezies in diesem Becken - ich selbst bin ein Pottwal, stoße an den Beckenrand und drücke mich mit aller Kraft ab. Ich ströme durch das blau scheinende Wasser.
Als ich auftauche sehe ich die beiden Männer immer noch am Beckenrand sitzen.
Welcher Vorschlag des bärtigen Mannes wird wohl abgelehnt worden sein? Ein Verbesserungsvorschlag? Ein falscher Vorschlag? Ein zu gut gemeinter Vorschlag?
Nur Blauwale machen Vorschläge. Pottwale tauchen und jagen - bis sie satt sind. Doch haben Pottwale keinen Bart, den haben nur Blauwale, um den Krill besser fangen zu können.
Ich tauchte bis zum Beckenrand und hielt mich diesmal fest. Ich versuchte wieder zu lauschen: “Naja, da hilft alles nichts.” sagte der bärtige und sprang ins Wasser, tauchte wieder auf und verließ das Becken. Er war gar kein Meeresbewohner, sondern ein Kater - macht eine Katzenwäsche und geht nach Hause. Offenbar muss ich mein Verständnis der Artenvielfalt erweitern.

Susanne Schmidt: Wenn der Nebel zäh wie altes Kaugummi in den Straßen steht

Es kommt eine Zeit da vergessen wir alle Sommertage und fast verlieren wir die Erinnerung und das Wissen um den Frühling. Dann droht uns die Dunkelheit, dicht und mächtig, zu verschlucken. Der kalte Regen fällt so nass und still und eine einsame Kälte kriecht unsere feuchten Strümpfe hoch und stinkt in den Bussen und Bahnen. Kein Blick aus strahlenden Augen, kein Lächeln über Sommersprossen. Da ist dann kein Blau und Grün, kein Gelb und Weiß und gar kein Rot, nirgends.
Unser gewohntes Jammern und Schimpfen verstummt im Grau.
Und wenn wir selbst unsere Angst nicht mehr wiederfinden nach dem Schlaf, wenn der Kaffee nicht mehr duftet am Morgen und der Tag nicht mehr lockt...
kommt wie von tausend Wünschen über Nacht die Vorweihnachtszeit, immer gerade noch rechtzeitig.
Wir Großstädter versammeln uns dann- dem uralten Instinkt folgend- um gedeckte Tische und schauen gemeinsam und verlangend in das Licht der vielen Kerzen. Das Feuer weckt zuverlässig unseren Widerstand.
Ein großes, langes Aufatmen öffnet die Türen und die Ohren und die Augen. Wir sammeln alles: Das Funkeln der geschmückten Fenster, die Freude der Weihnachtsmärkte, die Verheißung der Kaufhausmusik. Abends lachen wir über den drohenden Wetterbericht und erwarten aufmüpfig mit frisch geschliffenen Schlittschuhen und nagelneuen Wollmützen die große, lange Kälte.
Wir zählen die Tage und Geschenke. In den unendlichen Nächten trinken wir und singen sehr viel. Dann lieben wir, ernsthaft, heftig.
In den finsteren Fenstern leuchten und blinken und trösten stille Kerzen und elektrische Lichtervergnügen.
Der U-Bahnschaffner wartet extra auf den alten Mann, der sich, bierselig schwankend, nicht bedankt für die geschenkte Zeit.
Die kurzen, dunklen Tage stillen unsere Sehnsucht.
Und alles ist ganz dicht und laut und still im gleichen Ton. Und alle wissen wieder von der Sonne und der ersten Amsel im nächsten Jahr.

Diskussion der Texte vom 31.10. 2010

Interessanterweise spielte auf der diesmaligen Lesebühne Kafkas „Brief an den Vater“ gleich zwei Mal eine Rolle, was dafür spricht, dass dieser Brief für die Literatur lesende Nachkriegsöffentlichkeit, zu der sich die Lesebühnen-Vortragenden Kaune, Ibbeken und Fezer rechnen dürfen, wichtig war. Mehr als geistiger Vater denn als geistiger Sohn (Kafka) entpuppte sich ein anderer Dichter (Rilke) als Widergänger in den Gedichten Fritz Jürgen Kaunes, deren Vortragsweise als angenehm, deren Ähnlichkeit mit dem Ton in Rilkes "Duineser Elegien" jedoch als kritisch empfunden wurden. Der Autor bemerkte, dass er die "Duineser Elegien" nicht gut kenne, der Ton seiner Gedichte ihm ohne besondere Kenntnis Rilkes in den Sinn gekommen sei.
Bei „Erinnerung an Freiburg“ wurde weniger kritisiert als gefragt, was es mit der Rundschau auf sich habe. Kaune erklärte, dass es sich bei der „Rundschau“ (Ausgabe vom 62. Jahrgang, Heft 1) um eine damals noch sehr seltene Zeitungsausgabe gehandelt habe, in der der Brief Kafkas an den Vater (Kaune korrigierte nach der Lesung per Mail: Nicht der "Brief an den Vater" war in jener Ausgabe abgedruckt, sondern Kafkas "Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande", womit obige Bemerkung über die Bedeutung des Kafkaschen Brief an den Vater nicht etwa hinfällig wird, da die Erinnerung Kaunes die Texte vermutlich aus gutem Grund vertauscht hat.) erschienen sei, der großes Interesse nicht nur im Autor, sondern in den universitären Kreisen generell ausgelöst habe. Bei „im Frühling“ entfachte die letzte Zeile des Gedichts die Kritik, dass sie hart am Kitsch vorbei schramme, ein Schlagerrefrain sein könnte, schon oft gehört worden sei.
Hillert Ibbeken las den Prosatext „Der Fehlgriff“ vor, der als eindrücklich und gelungen wahrgenommen wurde. Lediglich die Erwähnung Hindenburgs im Text löste unterschiedliche Meinungen darüber aus, ob sie notwendig sei oder nicht. Der Autor bemerkte, dass die Erwähnung Hindenburgs auch den Geist der Zeit kenntlich machen sollte.
Es folgte Maik Lippert, dessen Gedicht „Bürosucht Arbeit“ beim Publikum gut ankam, das Bild von der Inflation des Weltalls sei gelungen, warum der Autor aber dann von Ballons spreche, sei unklar, was wieder einmal die Frage aufwarf, dass bzw. ob Lyrik immer einen unauflösbaren Rest brauche, um gute Lyrik zu sein.
Am meisten Kritik löste der Text „Mach’s gut, Papa!“ von Gunter Fezer. Zu Widerspruch führte nicht nur die Abwesenheit literarischer Qualität im Text, die – vor allem wohl gemessen an der Kritiklust und –kunst Fezers – erstaune, sondern auch das Modell von (vermeintlich) gelungener Autorität bzw. Erziehung, wie sie im Text propagiert werde. Da sei viel Unausgegorenes, das zu hinterfragen wäre. Fezer erklärte, dass er den Text in Gedanken an Kafkas Brief an seinen Vater formuliert habe. Daraufhin erntete der Autor jene Kritik, die er selbst gerne äußert: ein Text müsse sich von selbst erklären und nicht im Nachhinein von seinem Autor erläutert werden müssen.

Zu bemerken wäre noch, dass hier nicht alle gelesenen Texte genannt wurden. Wir haben der Nachvollziehbarkeit wegen nur jene aufgezählt, für die wir das Einverständnis der Autoren zur Veröffentlichung in unserem Schreibforum einholen konnten.

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