Juli, August, September 2011

Montag, 24. Oktober 2011

Was in der Zwischenzeit los war (Juni bis September 2011)

Nun liegt wieder viel Zeit zwischen dem letzten Eintrag und diesem, aber wir bleiben dran!
In der Zwischenzeit passierte viel, unter anderem der Wettbewerb unserer Lesebühne, bei dem Julia Trompeter mit einem auf Thomas Bernhard rekurrierenden experimentelleren Text über die Schwierigkeit, eine Geschichte zu erzählen, Wolfgang Priewe mit einem konventionelleren Prosatext über die Revolutionspläne eines ungleichen Paares (Kohlenträger und Hart IV-Empfänger), Stephan Schwarz mit einem experimentelleren Text über die Grenzen verstehen wollender Lektüre, Carlotta Müller mit einer Kurzgeschichte über den Tod eines taubstummen Kindes, Nike Ana Hus mit lyrischen Diagnosen und Behandlungen des eigenen Denkraums, Herr Schedensack mit einem Episodentext einer eigenartigen, höchst literarischen Figur, Michael Leisching mit Zettelkasten-Aphorismen zu wichtigen und unwichtigen Themen der Zeit und schließlich Fritz Kaune mit einem Erinnerungstext an den Beginn einer Liebe antrat.

Die Entscheidung fiel nicht mit großer Mehrheit für oder gegen bestimmte Texte, sondern eher messerscharf aus, was bedeutet, dass alle Texte ihre Anhänger im großen Publikum, das über die Gewinner abstimmte, fanden. Die meisten Stimmen vereinigten am Ende dann Wolfgang Priewe auf seinen Text „Burn Berlin Burn“ für die Prosa und Nike Ana Hus auf ihre Lyrische Diagnostik für die Lyrik.

Der Gewinn des Wettbewerbs war eine Lesung im Buchhändlerkeller, die die beiden Preisträger am 28.8. 2011 bei vollem Haus, guter Laune und mit großem Erfolg einlösten. Wir wünschen beiden und auch allen anderen TeilnehmerInnen, dass sie einen Verlag finden und veröffentlichen!

Obwohl der Wettbewerb ein großes Ereignis war, lief die Lesebühne dessen ungeachtet ganz normal weiter und wusste gleich im August wieder interessante Autorinnen und Autoren anzuziehen. Eine Zusammenfassung der Lesebühne vom 26.8.2011 hier von Signe Ibbeken:

Lesebühne 26.08.2011

Den Anfang dieser Lesebühne machte Maybell mit „Fabelhaftigkeiten“ - fünf Gedichten, in denen die Autorin Charakteristika bestimmter Tiere auf Menschen überträgt. Während einige Hörer sich an dem Humor und dem Wortwitz der Gedichte erfreuten, fehlte es anderen an Aussage und Mehrschichtigkeit. Die Gedichte seien lediglich dekorativ, es fehle die Botschaft, zumal es sich dem Titel nach um Fabeln handeln solle. Es folgte eine Diskussion über die (Tier-) Gedichte von Robert Gernhard, an denen sich die Autorin orientiert hatte, ohne deren Virtuosität und satirischen Witz zu erreichen.
Im Anschluss las Christoph Schröder eine mystisch anmutende Erzählung über einen Jungen, der zum Mörder wird. Gelobt wurde die dichte präzise Sprache sowie der gelungene Spannungsaufbau. Auch eine Nähe zu Kafka wurde festgestellt. Der Einwand einer Hörerin, die Geschichte sei ihr zu düster und bedrückend, wurde von einer anderen Zuhörerin mit dem Argument entkräftet: so etwas müsse man aushalten können.
Eike Asen las das Gedicht: „Zwei Zeiten“, in dem sie sich mit dem Thema Zeit und Alter auseinandersetzt. Das Gedicht gliedert sich in zwei Teile, einen melancholischen, in dem die Verluste beschrieben werden, welche das Alter mit sich bringt, während der zweite, kürzere Teil davon spricht, dass die eigene Zeit erst beginnt und mit den Worten schließt: „Der Tod ist Lüge“. In der anschließenden Diskussion ging es vor allem um verschiedene Deutungsmöglichkeiten des Gedichtes, es wurden aber auch verschiedene gelungene Sprachbilder hervorgehoben sowie der gekonnte Einsatz synästhetischer Verknüpfungen.
Manfred Weber setzte den Abend mit Prosaminiaturen unter dem Titel: „Ortsbestimmung/Wegefrüchte“ fort, kurzen Momentaufnahmen aus der Natur. Dem Publikum fiel die scharfe Beobachtungsgabe des Autors und seine höchst genaue und zugleich poetische Sprache auf. Besonders gefallen hatte einem Hörer, dass durch das Fehlen von Menschen und Handlung die Natur zum alleinigen Protagonisten wird.
Kritisiert wurde jedoch von anderer Seite, dass die Texte unfertig wirkten. Es seien eher Skizzen, für die noch ein größerer Zusammenhang gefunden werden müsse.
Den Abschluss des Abends machte Günter Fezer mit seiner humoristischen Ballade: „Schreckliches Wetter an der See“. Passend zum Sommer 2011 geht es darin um einen verregneten Urlaub an der Ostsee, um den Umgang mit Sturm, Kälte und Unwirtlichkeit sowie um zwei Selbstmörder, die am Ende am Fuße des Leuchtturmes gefunden werden. Eine Zuhörerin merkte an, dass ihr die Ballade gut gefallen habe bis auf den Schluss mit den Selbstmördern, den sie unpassend und überzogen fand. Der Autor rechtfertigte dies damit, dass eine Ballade einen dramatischen Höhepunkt brauche.

Die September-Lesebühne

Auf der September-Lesebühne lasen Stephan Schwarz und Ingrid Veit. Stephan Schwarz trug neue Texte aus seinem Prosaband „Benjaminfeldteilchen“ vor, die sich von den bereits vorgestellten Texten dieses Werkes in Länge, Dichte und nicht zuletzt auch Verstehbarkeit unterschieden. Die Texte glichen Miniaturen, in denen die Regeln der Syntax teilweise aufgehoben waren, was die Frage aufwarf, ob z. B. fehlende Kommata hier einen literarischen Mehrwert schüfen oder nicht. Man war sich darüber uneinig, fand aber die Texte jenseits dieser Auffälligkeit dennoch interessant und sprach ihnen eine Tiefe, Dichte und damit eine eindeutige literarische Qualität zu, die bei den bereits vorgestellten Passagen insofern in Frage stand, als sich einige HörerInnen bei diesen nicht sicher waren, ob sie Literatur nur imitierten oder wirklich auch seien.
Ingrid Veit las einen kurzen Prosatext mit dem Titel „Ein ganz besonderes Licht“, der eine starke eigene Stimme und Sprache hörbar machte. In dem Text versucht das Ich sich seines eingefrorenen Zustands zu erwehren und findet auf diesem Weg zu einer Erinnerung an den Tod der Großtante, der, wie nach und nach mit wenigen Worten klar wird, kein natürlicher war, sondern durch eigene Hand geschah. Der Text schafft eine ganz eigene stillstehende Atmosphäre, mit der es der Autorin gelingt, den Tod der Großtante als ein Ereignis darzustellen, das weit mehr Ausstrahlungskraft hat als der Tod eines Beliebigen, ohne, dass wir auch nur irgendetwas über die Großtante erfahren, weder in welcher Beziehung sie zum erzählenden Ich stand, noch, was sie sonst vor anderen auszeichnete. Tod und Stillstand scheinen deutlich länger anzuhalten als dies zu vermuten wäre und rühren am Kern aller Erzählung, die seit Sheherazades Erzählungen von 1001 Nacht einen Aufschub des Todes bewirken will. Da hier der Tod schon eingetreten ist, scheint auch der Stillstand, das "Eingefrorensein" des erzählenden Ichs nur konsequent.
Die Veranstalterinnen der Lesebühne waren von dem Text tief beeindruckt und hoffen, dass die Autorin auch weiß, wie gut sie ist! Wir wünschen uns sehr, mehr von Ihr zu hören!

Und wie geht es weiter?

Vor Ende des Jahres finden noch zwei Lesebühnen statt, am 30.10. und am 27.11.2011 um jeweils 20:30 Uhr. Wer lesen möchte, sollte sich eine Stunde vorher bei uns an der Kasse anmelden.
Im Dezember fällt die Lesebühne wegen der Feiertage aus.
Im Januar 2012 geht es dann weiter und im Januar starten wir auch wieder mit der zweiten Wettbewerbsrunde. Über alle Texte dieser Carmer 1-Lesungen wird bis zum Juni abgestimmt, die jeweiligen Gewinner treten dann im Juli oder August – näheres dazu dann im Sommer – noch einmal gegeneinander an, um schließlich die letztendlichen Gewinner dieser Endrunde zu ermitteln.
Die Teilnahme an den Carmer 1-Wettbewerbs-Lesungen wird nicht kuratiert! Alle, die lesen wollen, dürfen mitmachen!

Wir hoffen auf rege Beteiligung, gute Texte und viel leidenschaftliche Diskussion!

Sabine Schönfeldt und Signe Ibbeken

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