Die Lesebühne am 30.1.2011, 27.2. 2011 und 27.3.2011 – Ein Rückblick
Statt einer ausführlichen Zusammenfassung der Diskussionen der
letzten drei Lesebühnen im Januar, Februar und März, erlauben wir uns einen groben Rückblick und hoffen, im Mai wieder mit detallierteren Reflexionen der Diskussionen aufwarten zu können.
Seit Januar 2011 losen wir, Publikum und Moderation, den besten Text des Abends aus, um die Gewinner jeweils ein halbes Jahr später, also im Juni und Dezember 2011 gegeneinander antreten zu lassen. Gewinnerin der Lesebühne im Januar 2011 war mit eindeutiger
Mehrheit Julia Trompeter, deren Text „Die Mittlere“ in Schleifen um den Versuch kreiste, einen „Plot“ zu entwickeln. Trompeter schaffte es, diese eher theoretisch anmutende Frage literarisch zu fassen und ließ erahnen, wie sehr der Versuch, einen Plot zu entwickeln, Sprache und Form in eine Sackgasse drängt, aus der die einzige Gegenwehr die ist, die Gegenrichtung einzuschlagen und im Gegenstrom einzufangen, was an Erzählbarem bleibt. Das Kontingente ist nicht meine Stärke lautet ein Satz in Trompeters Erzählung. Diese Schwäche aber ist es, aus dem der Text seinen Anschwung nimmt und thomas-bernhardsche Bögen spannt statt rote Fäden zu spinnen. Fritz Kaune las zwei Gedichte, „Das Tao in der Provence“ und „Erkenne die Lage“, die die Themen Erinnerung und Todesnähe bearbeiteten und nach Julia Trompeter die meisten Stimmen auf sich vereinten. Jörn Sack las das Vorwort zu einem Buchprojekt, mit dem
er Voltaire und Rousseau in eine fiktionale und dialektische Beziehung zu setzen plant. Kritisch wurde das Vorwort deshalb betrachtet, da es schon alles verrate und keinen Appetit auf das Kommende mache. Außerdem wurde bemerkt, dass Sacks Text kein iterarischer Text sei, hier aber nur literarische Texte zur Diskussion gestellt werden sollten. Eike Asen las einen Text mit fantastischen Zügen, in dem pflanzenartige Wesen dem menschlichen Protagonisten ihre Welt offenbaren. Gelobt wurde der Text für die Phantasie, die ihm zugrunde läge, die Zeichnung des Pflanzenwesens, die Welt, in die der Text entführe. Kritisiert wurde, dass er zu sehr dem Bestreben,einen Plot zu finden, folge und so die Geschichte ins Eindimensionale dränge.
Im Februar lasen Marianne Rauch, Angelika Oldenburg, Fritz Kaune, Elisabetta Abbondanza und Ute von Arnim. Als bester Text wurde Kaunes Text gekürt, der in erinnerndem Ton Anfang und Ende schöner und schmerzhafter Ereignisse reflektiert. Marianne Rauch stellte
drei Gedichte vor, die, so die Kritik, das Hintergründige vermissen ließen. Als Songtexte seien die Gedichte gut geeignet, als Gedichte aber säßen sie offenbar dem Irrtum auf, dass Lyrik Gefühlsausdruck bedeute, was schon Goethe als weit verbreitetes Missverständnis entlarvt habe. Angelika Oldenburg las einen Text, der in Prosaform das Thema „Stadt“ behandelte. Die Sprache des Textes wurde gelobt, die Passivität der Figur als grenzwertig empfunden, der Text lebe dort, wo sich die Figur verwickle. OLdenburg vereinte nach Kaune die meisten Stimmen auf sich. Elisabetta Abbundanza las die Geschichte einer Frau, die eine vor allem sexuell betonte Affäre neben ihrer Ehe pflegt, was Abbundanza das Lob einbrachte, man habe es hier mit einer emanzipierten Figur zu tun. Dem widersprach man und fragte, was an einem Betrug emanzipiert sei? Der Betrug manifestiere doch eher konservative Rollenmodelle. Abbundanzas Text holte sich auf der inhaltlichen Ebene Kritik ab, sprachlich sei er routiniert, hieß es. Ute von Arnim setzte den Schlusspunkt mit einem Text über das Erwachsenwerden eines Mädchens, das , als es mit Jungs in Berührung kommt, sein Kaninchen tödlich vernachlässigt. Die Vernachlässigung wird im Text zum Zeichen der Reifung. Der Text wurde unterschiedlich aufgenommen, einige konnten ihm etwas Skurriles abgewinnen, andere bemängelten, dass es hier an Tiefe und Hintergründigkeit fehle.
Die März-Lesebühne wurde von drei Autoren bestritten: Michael Leisching, Wolfgang Priewe und Stephan Schwarz. Den Anfang machte Wolfgang Priewe mit einem Romanausschnitt über die Begegnung eines Kohlenträgers mit einem harz-4-gestützten Computerfreak. Der Text gewann sein Publikum, wurde für Verschiedenes hoch gelobt: Vor allem für die Gestaltung der Figuren, die einen neugierig machten, dann für die Konfrontation/Berührung der zwei Welten, jener, die unterginge mit der, die die Moderne repräsentiere. Auch sprachlich erntete der Text nur Lob. Kritische Stimmen blieben aus bis auf eine, die anmerkte, dass der Text die Gefahr berge zu idyllisieren, zu schön zu finden, wovon er erzähle. Der Autor solle die Distanz zu seinem Stoff halten.
Auf Priewe folgte Michael Leisching, der mit einem Zettelkasten ans Lesepult trat und sein „Gesamtkunstwerk“ vorstellte. Der Zettelkasten trägt den Namen „ Die Rebellion der Schleimhäute red box volume II“ und versammelt kürzeste Prosa, manchmal nur Sätze, eher Aphorismen zu verschiedenen Themen. Der Kasten beherbergt drei Abteilungen: „Philosophie“, „Politik“ und „Ästhetik der Abwesenheit“. Leisching trug jeweils drei Prosaversatzstücke aus den drei Abteilungen vor und verteilte anschließend die Karteikarten, auf denen sie vermerkt waren. So konnte das Publikum feststellen, dass die Stücke zum Teil anarchischer Orthographie folgten, was im Vortrag nicht hörbar gemacht werden kann. Das ganze Projekt an sich
wurde gelobt als Ausdruck nicht konventionell sein wollender Literatur bzw. Kunst.
Der Charme der gesamten Performance mache manche Schwachstelle in
den Prosastücken wieder wett, lade sogar mit ihnen zur Nachahmung ein.
Den Schlusspunkt markierte Stephan Schwarz, der mit einem in jüngster Zeit entstandenen Text aus seinem „Benjaminfeld-Projekt“ auftrat. Reifer als die im Vorjahr vorgestellte Passage sei diese hier, hieß es. Ähnlich wie der ältere Text mäandere dieser sich in Felder, die das Verstehen, gerade auch beim Zuhören im Gegensatz zum Lesen, erschwerten, die dem Leser die Entscheidung überließen, was er aufnehmen und wo er abschweifen wolle. Das wurde von den einen als sehr gelungen, von den anderen als Zumutung empfunden. Insgesamt hatte der Märzabend einen sehr experimentellen Charakter, was die Veranstalterinnen begrüßen. Von einer Abstimmung wurde abgesehen, da die Texte bzw. Kunstwerke nicht miteinander zu
vergleichen seien. Stattdessen wurde beschlossen, alle drei Autoren im Juni antreten zu lassen und die Abstimmungslesung in zwei Kategorien einzuteilen, in jene, die eher konventionelle Texte (wertfrei gemeint) versammelt und eine zweite, die Experimentelles“ birgt, um so eine bessere Vergleichsbasis zu schaffen.
letzten drei Lesebühnen im Januar, Februar und März, erlauben wir uns einen groben Rückblick und hoffen, im Mai wieder mit detallierteren Reflexionen der Diskussionen aufwarten zu können.
Seit Januar 2011 losen wir, Publikum und Moderation, den besten Text des Abends aus, um die Gewinner jeweils ein halbes Jahr später, also im Juni und Dezember 2011 gegeneinander antreten zu lassen. Gewinnerin der Lesebühne im Januar 2011 war mit eindeutiger
Mehrheit Julia Trompeter, deren Text „Die Mittlere“ in Schleifen um den Versuch kreiste, einen „Plot“ zu entwickeln. Trompeter schaffte es, diese eher theoretisch anmutende Frage literarisch zu fassen und ließ erahnen, wie sehr der Versuch, einen Plot zu entwickeln, Sprache und Form in eine Sackgasse drängt, aus der die einzige Gegenwehr die ist, die Gegenrichtung einzuschlagen und im Gegenstrom einzufangen, was an Erzählbarem bleibt. Das Kontingente ist nicht meine Stärke lautet ein Satz in Trompeters Erzählung. Diese Schwäche aber ist es, aus dem der Text seinen Anschwung nimmt und thomas-bernhardsche Bögen spannt statt rote Fäden zu spinnen. Fritz Kaune las zwei Gedichte, „Das Tao in der Provence“ und „Erkenne die Lage“, die die Themen Erinnerung und Todesnähe bearbeiteten und nach Julia Trompeter die meisten Stimmen auf sich vereinten. Jörn Sack las das Vorwort zu einem Buchprojekt, mit dem
er Voltaire und Rousseau in eine fiktionale und dialektische Beziehung zu setzen plant. Kritisch wurde das Vorwort deshalb betrachtet, da es schon alles verrate und keinen Appetit auf das Kommende mache. Außerdem wurde bemerkt, dass Sacks Text kein iterarischer Text sei, hier aber nur literarische Texte zur Diskussion gestellt werden sollten. Eike Asen las einen Text mit fantastischen Zügen, in dem pflanzenartige Wesen dem menschlichen Protagonisten ihre Welt offenbaren. Gelobt wurde der Text für die Phantasie, die ihm zugrunde läge, die Zeichnung des Pflanzenwesens, die Welt, in die der Text entführe. Kritisiert wurde, dass er zu sehr dem Bestreben,einen Plot zu finden, folge und so die Geschichte ins Eindimensionale dränge.
Im Februar lasen Marianne Rauch, Angelika Oldenburg, Fritz Kaune, Elisabetta Abbondanza und Ute von Arnim. Als bester Text wurde Kaunes Text gekürt, der in erinnerndem Ton Anfang und Ende schöner und schmerzhafter Ereignisse reflektiert. Marianne Rauch stellte
drei Gedichte vor, die, so die Kritik, das Hintergründige vermissen ließen. Als Songtexte seien die Gedichte gut geeignet, als Gedichte aber säßen sie offenbar dem Irrtum auf, dass Lyrik Gefühlsausdruck bedeute, was schon Goethe als weit verbreitetes Missverständnis entlarvt habe. Angelika Oldenburg las einen Text, der in Prosaform das Thema „Stadt“ behandelte. Die Sprache des Textes wurde gelobt, die Passivität der Figur als grenzwertig empfunden, der Text lebe dort, wo sich die Figur verwickle. OLdenburg vereinte nach Kaune die meisten Stimmen auf sich. Elisabetta Abbundanza las die Geschichte einer Frau, die eine vor allem sexuell betonte Affäre neben ihrer Ehe pflegt, was Abbundanza das Lob einbrachte, man habe es hier mit einer emanzipierten Figur zu tun. Dem widersprach man und fragte, was an einem Betrug emanzipiert sei? Der Betrug manifestiere doch eher konservative Rollenmodelle. Abbundanzas Text holte sich auf der inhaltlichen Ebene Kritik ab, sprachlich sei er routiniert, hieß es. Ute von Arnim setzte den Schlusspunkt mit einem Text über das Erwachsenwerden eines Mädchens, das , als es mit Jungs in Berührung kommt, sein Kaninchen tödlich vernachlässigt. Die Vernachlässigung wird im Text zum Zeichen der Reifung. Der Text wurde unterschiedlich aufgenommen, einige konnten ihm etwas Skurriles abgewinnen, andere bemängelten, dass es hier an Tiefe und Hintergründigkeit fehle.
Die März-Lesebühne wurde von drei Autoren bestritten: Michael Leisching, Wolfgang Priewe und Stephan Schwarz. Den Anfang machte Wolfgang Priewe mit einem Romanausschnitt über die Begegnung eines Kohlenträgers mit einem harz-4-gestützten Computerfreak. Der Text gewann sein Publikum, wurde für Verschiedenes hoch gelobt: Vor allem für die Gestaltung der Figuren, die einen neugierig machten, dann für die Konfrontation/Berührung der zwei Welten, jener, die unterginge mit der, die die Moderne repräsentiere. Auch sprachlich erntete der Text nur Lob. Kritische Stimmen blieben aus bis auf eine, die anmerkte, dass der Text die Gefahr berge zu idyllisieren, zu schön zu finden, wovon er erzähle. Der Autor solle die Distanz zu seinem Stoff halten.
Auf Priewe folgte Michael Leisching, der mit einem Zettelkasten ans Lesepult trat und sein „Gesamtkunstwerk“ vorstellte. Der Zettelkasten trägt den Namen „ Die Rebellion der Schleimhäute red box volume II“ und versammelt kürzeste Prosa, manchmal nur Sätze, eher Aphorismen zu verschiedenen Themen. Der Kasten beherbergt drei Abteilungen: „Philosophie“, „Politik“ und „Ästhetik der Abwesenheit“. Leisching trug jeweils drei Prosaversatzstücke aus den drei Abteilungen vor und verteilte anschließend die Karteikarten, auf denen sie vermerkt waren. So konnte das Publikum feststellen, dass die Stücke zum Teil anarchischer Orthographie folgten, was im Vortrag nicht hörbar gemacht werden kann. Das ganze Projekt an sich
wurde gelobt als Ausdruck nicht konventionell sein wollender Literatur bzw. Kunst.
Der Charme der gesamten Performance mache manche Schwachstelle in
den Prosastücken wieder wett, lade sogar mit ihnen zur Nachahmung ein.
Den Schlusspunkt markierte Stephan Schwarz, der mit einem in jüngster Zeit entstandenen Text aus seinem „Benjaminfeld-Projekt“ auftrat. Reifer als die im Vorjahr vorgestellte Passage sei diese hier, hieß es. Ähnlich wie der ältere Text mäandere dieser sich in Felder, die das Verstehen, gerade auch beim Zuhören im Gegensatz zum Lesen, erschwerten, die dem Leser die Entscheidung überließen, was er aufnehmen und wo er abschweifen wolle. Das wurde von den einen als sehr gelungen, von den anderen als Zumutung empfunden. Insgesamt hatte der Märzabend einen sehr experimentellen Charakter, was die Veranstalterinnen begrüßen. Von einer Abstimmung wurde abgesehen, da die Texte bzw. Kunstwerke nicht miteinander zu
vergleichen seien. Stattdessen wurde beschlossen, alle drei Autoren im Juni antreten zu lassen und die Abstimmungslesung in zwei Kategorien einzuteilen, in jene, die eher konventionelle Texte (wertfrei gemeint) versammelt und eine zweite, die Experimentelles“ birgt, um so eine bessere Vergleichsbasis zu schaffen.
schoenfeldt - 21. Apr, 13:33